Interview
«Zug ist ein Seismograph der internationalen Wirtschaft»
Billettautomat am Bahnhof Baar.
Letzte Woche kündigte die Zugerland Verkehrsbetriebe AG (ZVB) an, dass sie ihre Billettautomaten abschaffen möchte. Das kommt nicht überall gut an. Im Fokus stehen die älteren Leute, die auf die Automaten angewiesen sind. Die ZVB sehen in der Abschaffung allerdings kein Problem.
So endet also ein Leben: Man erreicht das «Ende der Lebensdauer» und wird nicht mehr beachtet. Ähnlich ergeht es momentan den Billettautomaten der Zugerland Verkehrsbetriebe AG. Bis Ende dieses Jahres sollen alle verschwinden. Diese Nachricht verschickte die ZVB letzte Woche an die Medien. Aus dem Bauch heraus wurde der Kahlschlag nicht beschlossen. Nur noch 9 von 1000 Kunden würden ihre Tickets bei der klobigen Maschine kaufen. Trotzdem war man sich bei der ZVB noch unsicher, ob man die Automaten ausmustern soll.
Der Bahnhof Baar diente deswegen für Testzwecke. Dort entfernte man den Automaten und startete das Experiment: Wie würden die Zugerinnen und Zuger auf den Wegfall wohl reagieren? Das Ergebnis: Rund ein Drittel der Kundinnen und Kunden, die ihre Tickets sonst am Automaten beziehen, lösten es beim Fahrpersonal. Zwei Drittel wichen auf andere Verkaufskanäle aus. Es sei zu keinen Reklamationen gekommen, hört man. Und die Busse seien weiterhin pünktlich, weil «nur 0,01 Prozent aller Fahrgäste, die während der Testphase am Bahnhof Baar zugestiegen sind, ihr Ticket im Bus lösten.» Aufgrund dieser Erkenntnisse geht es nun ziemlich schnell mit dem Abbau. Die Automaten werden bis Ende 2025 alle verschwinden.
Die Kundinnen und Kunden werden informiert, teilen die ZVB mit. Man wolle sie auf andere Ticketlösungen hinweisen. Zum Beispiel die Apps Fairtiq oder öV-Plus. Und
wer Hilfe bei der Einrichtung der
Applikationen braucht, darf sich
jederzeit an das Personal beim
ZVB-Schalter im Reisezentrum Zug wenden. Martin Kolb ist Geschäftsleiter von Pro Senectute Kanton Zug. Mit einem Vorurteil will er gleich einmal aufräumen: «Unsere regelmässigen Studien zeigen, dass das Interesse älterer Menschen an digitalen Technologien grundsätzlich gross ist. Immer mehr Seniorinnen und Senioren sind auch online unterwegs.» Aber: «Nicht alle Seniorinnen und Senioren verfügen über Zugang zu digitalen Geräten oder fühlen sich im Umgang mit Apps und digitalen Ticketlösungen sicher.» Er fände es schön, wenn die ZVB auch für diese Bevölkerungsgruppe Sorge trägt, zum Beispiel mit Flyern oder analogn Verkaufsmöglichkeiten über eine Hotline. Karin Fröhlich, die Medienverantwortlich der ZVB, schreibt auf Anfrage: «Wir werden unsere Busfahrerinnen und Busfahrer mit kleinen Flyern zu alternativen Ticketlösungen bestücken, die sie bei Bedarf den Fahrgästen abgeben können.»
Flyer findet Kolb grundsätzlich gut. Er fragt aber nach, ob diese auch in der sogenannten «Leichten Sprache» verfasst wurden. Denn was bringen Broschüren, wenn sie in Fach-Chinesisch verfasst wurden? An das alles scheint man bei der ZVB anscheinend nicht gedacht haben. Leichte Sprache? «Das ist so spezifisch nicht vorgesehen. Wir denken, dass unsere Informationen verständlich sind.» Allerdings, so Fröhlich, sei der Abbau bereits im Gange. «Aktuell befinden sich noch rund 30 Automaten auf dem gesamten Liniennetz der ZVB», so die Mediensprecherin. Martin Kolb bringt noch einen anderen Brennpunkt zur Sprache. Ihm ist wichtig, dass an den Haltestellen und in den Fahrzeugen auch genügend Sitzgelegenheiten vorhanden sind. Fröhlich versichert: «In allen Bussen gibt es im vorderen Bereich Sitzgelegenheiten, die für Menschen mit eingeschränkter Mobilität reserviert sind. Ältere Menschen dürfen diese Sitzgelegenheiten jederzeit beanspruchen.» Für die Haltestellen seien allerdings die Standortgemeinden zuständig. «Die ZVB unterstützt es sehr, wenn Sitzgelegenheiten und Wartehäuschen vorhanden sind.»
Beni Frenkel
Lade Fotos..