Zeitgeschichte
Vor 70 Jahren fuhr das Tram in den Zuger Gemeinden
Dr. Bernhard Neidhart arbeitet gerne für den Kanton Zug und fühlt sich dabei privilegiert. Foto: zvg
Wir sprachen mit Dr. Bernhard Neidhart, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit, über den Kampf gegen Schwarzarbeit, branchenübergreifende Kontrollen und die Herausforderungen für einen fairen Arbeitsmarkt im wirtschaftlich starken Kanton Zug.
Sie haben kürzlich eine gross angelegte Kontrolle in Barbershops im Kanton Zug durchgeführt. Was war die Motivation dahinter?
Wir treffen uns seit 2008 (Inkrafttreten des Schwarzarbeitsgesetz) halbjährlich zur Umsetzung des Schwarzarbeitsgesetzes. Anwesend sind das Amt für Wirtschaft und Arbeit, Amt für Migration, Zuger Polizei, Steuerverwaltung, AHV, Arbeitslosenkasse und Staatsanwaltschaft. Wir sind uns bewusst, dass wir mit den bestehenden Schwarzarbeitskontrollen an Grenzen stossen. So ist der «Clanwirtschaft» und deren illegalen Geldflüssen nicht mit der gesetzlich vorgesehen Schwarzarbeitskontrolle beizukommen. Es braucht dazu die Ressourcen und den gesetzlichen Rahmen der Strafverfolgungsbehörde. Dennoch wollten wir mit dieser erweiterten Kontrolle prüfen, ob wir einen Schritt weiter kommen, um den illegalen Machenschaften entgegenzuwirken.
«Wir sind uns bewusst, dass wir mit den bestehenden Schwarzarbeitskontrollen an Grenzen stossen.»
Was hat das neu getestete Verbundsystem aus Ihrer Sicht besonders effektiv gemacht und welche ersten Schlussfolgerungen ziehen Sie?
Durch die vielen, gleichzeitig beteiligten Stellen – die oben genannten Stellen verstärkt durch die Paritätische Kommission und das Kantonale Labor - nimmt auch der Personalund Zeitaufwand stark zu. Besonders effektiv ist eine solche Verbundkontrolle dadurch, dass ein Betrieb gleichzeitig, umfassend und ohne Vorwarnung geprüft werden kann. Die konkreten Schlussfolgerungen werden wir ziehen, wenn alle gesammelten Fakten ausgewertet sind. Für zukünftige Aktivitäten muss der Aufwand mit dem zu erwartenden Nutzen abgeglichen werden.
Schwarzarbeit ist ein wiederkehrendes Thema. Wie gross ist das Problem im Kanton Zug tatsächlich?
Es liegt in der Natur der Sache, dass keine konkreten Daten vorliegen. Der Ökonom Friedrich Schneider, em. Prof. Uni Linz, und dessen Methodik, die Schattenwirtschaft auf nationaler Ebene zu berechnen, wird in der Ökonomie als unangefochten beste Variante eingestuft. Er vergleicht die geschaffene Geldmenge mit jener, welche im Umlauf ist. Die Differenz bezeichnet er als Schattenwirtschaft. Die Schweiz ist im Vergleich vieler Staaten mit Abstand auf der besten Position mit knapp 6 Prozent Schattenwirtschaft bezogen auf das Bruttoinlandprodukt. Eine kantonale Ableitung der Resultate ist so nicht möglich. Weitere Ausführungen und Einschätzungen finden Sie in der Antwort des Regierungsrats zurInterpellation 2021 «Zug ein hotspot der Schwarzarbeit» (https://kr-geschaefte.zug.ch/gast/ geschaefte 2205)
Die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Organisationen wie Fair Control scheint aussergewöhnlich eng zu sein. Ist das ein Modell mit Zukunft?
Faircontrol ist ein Kontrollverein, welcher von mehreren Paritätischen Kommissionen (PK) der ganzen Zentralschweiz (pro Branche gibt es eine PK) gegründet wurde und mit der Durchführung der Kontrollen mandatiert ist. Die PK haben den gesetzlichen Auftrag, die Vorgaben des Gesamtarbeitsvertrags und die Kontrollen der Entsendungen aus der EU/EFTA zu kontrollieren und sanktionieren. Dies ist nicht Aufgabe der kantonalen Ämter. Insofern bleibt die Zusammenarbeit auch zukünftig wichtig.
Inwiefern stellen Branchen wie das Coiffeur- oder Gastgewerbe besondere Herausforderungen bei der Kontrolle dar?
Beide Branchen haben einen Gesamtarbeitsvertrag und werden zuständigkeitshalber von der zuständigen Paritätischen Kommission beaufsichtigt. Vollzugstechnisch unterscheiden sich diese beiden Branchen kaum von anderen Branchen mit Ausnahme der Koordination mit der zuständigen Paritätischen Kommission.
Zug ist ein Wirtschaftsstandort mit vielen internationalen Unternehmen. Welche Rolle spielen dabei die Kontrolle von Arbeitsbewilligungen und Sozialversicherungen?
Der Wirtschaftsstandort Zug ist geprägt von internationalen, wettschöpfungsstarken Unternehmen, oft mit der Funktion als Hauptsitz. Diese Firmen unterstehenden starken Reporting-, Revisions- und anderen gesetzlichen Pflichten mit entsprechenden Aufsichts- und Kontrollorganen. Dies gilt auch für die Sozialversicherungen. Arbeitsbewilligungen können mit Personen- oder Verkehrskontrollen und registergestützten Recherchen überprüft werden. Diese bilden aber keine spezielle Risikoexposition im Vergleich zu anderen Kantonen.
Wo sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen für einen fairen, regulierten Arbeitsmarkt im Kanton Zug?
Mutmasslich stärker exponierte Branchen sind in der Schweiz grösstenteils in einen Gesamtarbeitsvertrag eingebunden. Es gilt, die zuständigen Paritätischen Kommissionen und ihre gesetzliche Aufsichtspflicht zu stärken. Die Oberaufsicht liegt beim Bund.
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde – wie betrifft das die Unternehmen und die Arbeitsmarktpolitik im Kanton Zug?
Der langfristige Treiber des Fachund Arbeitskräftemangels ist die Demografie. Kurzfristig kann jedoch eine Konjunkturwelle über wenige Jahre eine andere Ausgangslage schaffen. Unsere Wirtschaft ist immer mehr wissens- und kompetenzgeprägt mit Druck zu höherer Produktivität und Wertschöpfung. In diesem Umfeld ist der Mangel an passenden Arbeitskräften sehr einschränkend, mit Auswirkungen auch auf andere Branchen (z. B. Gesundheitsbranche). Der Kanton Zug investiert stark in die Aus- und Weiterbildung als wichtigen Pfeiler für die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften.
Wie kann der Kanton Zug bei all seiner wirtschaftlichen Stärke auch künftig ein Ort für faire Arbeitsbedingungen bleiben – für alle?
Lohnkontrollen im Rahmen der flankierenden Massnahmen, Schwarzarbeitskontrollen und die Berechnungen des oben erwähnten em. Prof. Friedrich Schneider zeigen, dass Zug in dieser Frage eine positive Ausgangslage geniesst. Die Überschaubarkeit und der langfristige Fach- und Arbeitskräftemangel sind ein gewisser Schutz für faire Arbeitsbedingungen. Gezielte Kontrollen mit Augenmass unterstützen die Bestrebungen für einen fairen Arbeitsmarkt.
«Zug ist ein Seismograf für die internationale Wirtschaft. Das spüren wir hier vor Ort.»
Stellen Sie sich vor, wir führen dieses Interview in fünf Jahren noch einmal. Was wäre Ihre Wunschbilanz?
Da der internationale Wirtschaftsstandort Zug von offenen Märkten lebt, erhoffe ich mir, dass die globalen Blockaden (Geopolitik, Blockbildungen, etc.) wieder verschwinden und wir alle die erst seit jüngerer Zeit geschätzte und nun zunehmend vermisste Friedensdividende für uns Menschen einsetzen können.
Sie sind nun seit rund 25 Jahren beim Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zug tätig. Wenn Sie zurückblicken: Was hat sich in dieser Zeit am deutlichsten verändert – und worauf sind Sie persönlich besonders stolz?
Zug ist ein Seismograf für die internationale Wirtschaft. Das spüren wir hier vor Ort: den Erfolg und den damit einhergehenden Wohlstand genauso wie die Verknappung der natürlichen Ressourcen. Stolz ist das falsche Wort, ich fühle mich privilegiert, für den Kanton Zug zu arbeiten.
Michael Schwegler
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