Interview
«Zug ist ein Seismograph der internationalen Wirtschaft»
Ist die Gemeindeversammlung einer grossen Gemeinde noch zeitgemäss? Foto: RC
Wieder einmal steht das politische System in Baar zur Disposition. Der Gemeinderat will kein Gemeindeparlament einführen und verweist unter anderem auf die Kosten des Grossen Gemeinderats. In Zug kommt das nicht gut an.
Soll Baar ein Gemeindeparlament erhalten? 14 Seiten widmet die Gemeinde Baar dieser Frage in ihrer Broschüre zur bevorstehenden Gemeindeversammlung (vom 11. Juni). Das Traktandum 5 wird wahrscheinlich die meiste Zeit der Versammlung beanspruchen. Im Dezember vorigen Jahres haben die Grünliberalen der Gemeinde Baar die Motion eingereicht: Der Gemeinderat soll einen Vorschlag für die Einführung eines Grossen Gemeinderates nach dem Vorbild der Stadt Zug erarbeiten.
Baar sei nach Rapperswil-Jona die zweitgrösste Gemeinde der Schweiz, die kein Gemeindeparlament habe. Die Grünliberalen stellen die Frage auf, ob eine Gemeinde dieser Grösse noch zeitgemäss sei: «In einer immer komplexer werdenden Welt, in der Entscheidungen oft rasch und fachkundig getroffen werden müssen, stellt sich die Frage, ob dieses Gremium (also die Gemeindeversammlung, Anmerkung der Redaktion) noch das effizienteste Instrument ist. Die Grünliberalen wollen die Frage vor die Urne bringen und hoffen auf einen Erfolg. In Rapperswil-Jona wurde 2023 die gleiche Forderung äusserst knapp verworfen (51,72 Prozent Nein- Anteil) Vom bisherigen System ist der Gemeinderat Baar aber immer noch überzeugt. Viele Anträge dieser Art seien in der jüngeren Vergangenheit bereits eingereicht worden. Man sei weiterhin überzeugt, dass die Gemeinde Baar «ein gut funktionierendes und ausgewogenes politisches System» habe, schreibt er in der Broschüre zur Gemeindeversammlung. Zu den Stärken des Baarer Modell fallen dem Gemeinderat 11 gute Sachen ein. So sei die Gemeindeversammlung unter anderem effizient und bürgernah. Dass nicht alles gut ist an den zweimal jährlich stattfinden Gemeindeversammlungen ficht er aber nicht an. Schlecht seien 8 Dinge. Zum Beispiel die Wortmeldungen der Parteien. Die würde oft lange und wiederholend ausfallen. Die guten Sachen (11) überwiegen aber die negativen Dinge (8). Ein Punkt für die Gemeindeversammlungen. Nicht ganz überraschend zählt er dann bei der Idee eines Gemeindeparlaments in Baar nur 7 gute Eigenschaften auf. So seien die Entscheidungen politisch breit abgestützt. Er sieht aber mehr Nach- als Vorteile im Gemeindeparlament, nämlich 10. Ein dieser Nachteile sei die Schwächung der direkten Demokratie. 7 gegen 11; wieder ein Punkt für die bisherigen Gemeindeversammlungen. In seiner Argumentation präsentiert der Gemeinderat auch eine Tabelle, welche die Kosten der Stadt Zug und der Einwohnergemeinde Baar aufzeigt. Was kostet mehr: Der Aufwand eines Grossen Gemeinderats à la Zug oder die Kommissionsarbeit, wie sie in Baar geschieht? Relativierend fügt der Baarer Gemeinderat in der Aufstellung an, dass ein aussagekräftiger Vergleich nicht möglich sei.
Die Zahlen sind aber beeindruckend. So kostet die Zuger Verwaltung 42,86 Millionen, die von Baar 21,53 Millionen Franken. Die Personalkosten in Zug sind also um über 50 Prozent höher als die in Baar, obwohl Zug nur 28 Prozent mehr Einwohner zählt. In Zug kommt dieser Vergleich nicht gut an. Bei der Gegenüberstellung müsse man aufpassen, «dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht», heisst es von dort. «Und vor allem gibt es nicht einen einzigen Grund, warum die Stadt Zug eine höhere Anzahl Personaleinheiten (Vollzeitstellen) hat als Baar.» Unter anderem erbringe die Stadt Zug verschiedene Dienstleistungen für und im Auftrag anderer Gemeinden. Zum Beispiel in der Informatik («auch für Baar»), das Betreibungsamt («auch für Steinhausen und Walchwil») oder das Zivilstandsamt («auch für die Gemeinden Steinhausen, Walchwil, Oberägeri und Unterägeri»).
In der Statistik der Broschüre erscheint die Bruttodarstellung. Dies ergebe zwar höhere Personaleinheiten und -kosten, aber auch einen Dienstleistungsertrag. Als Beispiele werden die höhere Anzahl der Schulklassen und die grössere Bibliothek genannt. Es gäbe noch viele weitere Gründe, so Dieter Müller, Leiter der Kommunikation Zug. Letztendlich erbringe die Stadt Zug mit ihrer Zentrumsfunktion verschiedenste Dienstleistungen, von welchen alle anderen Gemeinden profitieren, dies unter anderem in den Bereichen Sport/Sportinfrastruktur oder Kultur. Müller: « Auch für diese Dienstleistungen braucht es Personal.»
Beni Frenkel
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