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Im Kanton Zug fehlt es zunehmend an bezahlbarem Wohnraum. Foto: RC
Der Regierungsrat des Kantons Zug will auf die zunehmenden Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt reagieren und hat eine umfassende «Wohnpolitische Strategie 2030» entwickelt. Die geplanten Massnahmen und Umsetzung sind aber eher zögerlich. Von den Parteien gibt es Beifall und Schelte.
Frau Landammann Silvia Thalmann–Gut brachte es auf den Punkt: «Es ist ein Thema, das unter den Nägeln brennt.»Die Menschen in wirtschaftlich starken Regionen hierzulande beschäftigt ein Thema: Die Wohnungsnot – es gibt immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Neben dem Wirtschaftsraum Zürich bekommt dies der Kanton Zug immer mehr zu spüren. Der hiesige Wohnungsmarkt ist stark unter Druck. Die hohe Attraktivität des Kantons sowohl für Einwohnerinnen und Einwohner als auch für Unternehmen hat zu einem kontinuierlichen Bevölkerungs– und Beschäftigungswachstum geführt. «Früher sind viele Zugerinnen und Zuger zur Arbeit nach Zürich gependelt. Jetzt ist es umgekehrt», sagte Silvia Thalmann–Gut an einer Medienorientierung.
Leute aus anderen Kantonen und dem Ausland kommen nicht nur in den Kanton Zug um zu arbeiten, sie möchten auch hier wohnen. Dieser Nachfrageanstieg steht einem rückläufigen Wohnungsangebot gegenüber, was Miet– und Immobilienpreise steigen lässt. Und: Diese Situation führt dazu, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung verändert. Während die Einwanderung aus anderen Kantonen oder aus dem Ausland grösser ist als die Abwanderung, müssen immer mehr Zugerinnen und Zuger ausserhalb des Kantons Wohnraum suchen. Insbesondere für den Mittelstand und Geringverdienende sowie junge Familien wird es immer schwieriger, erschwingliche Wohnungen zu finden. Zu Beginn des Sommers 2024 betrug die Leerwohnungsziffer im Kanton Zug gerade mal 0,39 Prozent, der national tiefste Wert. Der Kanton Zug führt schweizweit umgekehrt die Rangliste der höchsten durchschnittlichen Mietpreise pro Wohnung an.
Der Regierungsrat sieht deshalb dringend Handlungsbedarf. In der «Wohnpolitischen Strategie 2030» hat er einen Massnahmenkatalog zusammengestellt. Die Massnahmen sollen einen umfassenden Prozess zur Entwicklung einer neuen Wohnstrategie anstossen, von denen der bereits ansässige Zuger Mittelstand profitieren soll. «Der Prozess basiert auf der bisherigen Wohnraumförderung sowie dem Richtplan und umfasst hauptsächlich Massnahmen, die im Einflussbereich des Kantons liegen», erklärte Baudirektor Florian Weber. Der Regierungsrat wolle langfristige Lösungen für einen funktionierenden Wohnungsmarkt entwickeln. Drei Ziele werden gesetzt: Mehr Wohnungen, mehr preisgünstige Wohnungen sowie mehr Wohnungen für die ansässige Zuger Bevölkerung.
Kantonsplaner René Hutter, Leiter Amt für Raum und Verkehr, erläuterte drei Kernpunkte des Massnahmenkatalogs. Vereinfachte und flexiblere Bauvorschriften wie zum Beispiel Aufstockungen, Aufbauten oder die Lockerung der Vorgaben für Hochhäuser sollen den Bau von mehr Wohnraum ermöglichen. «Bestehende Baubewilligungsprozesse sollen durchleuchtet und auf Vereinfachungen, Beschleunigungen und Optimierungen geprüft werden.» Mit der Stärkung und Vereinfachung des Wohnraumförderungsgesetzes sollen gemeinnützige Bauträgerschaften einfacher zu Darlehen kommen und die Subjekthilfe mit feiner abgestuften Beiträgen für bedürftige Haushalte soll optimiert werden.
Der Regierungsrat sei bereit, die entsprechenden Gesetzesanpassungen im Planungs– und Baugesetz sowie im Wohnraumförderungsgesetz in die Wege zu leiten. Im Grundsatz will er die wohnpolitischen Ziele mit freiwilligen Massnahmen erreichen. Finanzielle Anreize sollen zu einem schneller verfügbaren und erschwinglichen Wohnungsangebot führen. Baudirektor Florian Weber betonte hingegen, dass die Regierung nicht direkt in den Markt eingreifen wolle. Auch das Vorkaufsrecht für Gemeinden zur Förderung des gemeinnützigen oder preisgünstigen Wohnraums werde nicht angestrebt. «Beide Massnahmen würden den Preisdruck auf die Liegenschaften zusätzlich steigern, wir würden so zum Preistreiber, was natürlich nicht gewünscht ist».
Dass die Zuger Regierung die Wohnungsproblematik zuoberst auf die Agenda nimmt, ist positiv. Dass sie selber nicht in den Markt eingreifen will, ist politisch vernünftig – aber vor allem für betroffene Wohnungssuchende wohl schwer verständlich. Wenn sogar die Regierung sieht, das Zugerinnen und Zuger wegen zu kleinem Wohnungsangebot den Kanton verlassen müssen, wären mehr Mut und Sofortmassnahmen gefragt, als Strategien, die möglichst wenig weh tun und erst auf die nächsten Jahre angelegt sind.
Bei den politischen Parteien fällt die Reaktion unterschiedlich aus. Die bürgerlichen Parteien begrüssen die eingeschlagene Richtung mehrheitlich, aber nicht vorbehaltlos. Die FDP begrüsst es, dass der Kanton nur zurückhaltend in den privaten Wohnungsmarkt eingreifen will. Es gelte aber die eigene Identität zu schützen. Für die Mitte ist mit den vorgeschlagenen Massnahmen ein Anfang gemacht, mehr aber nicht. Es fehlten aber innovative Lösungsansätze. Die SVP findet die Strategie der Regierung richtig, vor allem, dass Bewilligungsverfahren gestrafft und beschleunigt werden sollen. Wenig überraschend verlangt die SVP zusätzlich, die Zuwanderung im Asylbereich zu stoppen, weil viele günstige Wohnungen in diesem Bereich verloren gingen. Die GLP begrüsst die Stossrichtung ebenfalls und macht sich stark für ein Wohnrecht für Zugerinnen und Zuger, die hier aufgewachsen und verwurzelt sind.
Ganz anders Links–Grün. Da fallen die Reaktionen heftig und ablehnend aus. Wirklich griffige Massnahmen lehne der Regierungsrat aus purer Ideologie ab, schreibt die Alternative–die Grünen und bezeichnet das Konzept als zahnlos. «Obwohl die Regierung im Bericht den preistreibenden Effekt ihrer Tiefsteuerpolitik anerkennt, weigert sie sich, bei dieser Grundproblematik anzusetzen.» Der Regierungsrat halte an den Leitlinien seiner gescheiterten Wohnpolitik fest, schreibt die SP. «Es drohen Anreize für Privatinvestoren und Änderungen des kantonalen Planungs– und Baugesetzes, die zu mehr Luxussanierungen führen und ganze Quartiere verschandeln».
Dass die eingeschlagene Wohnbaustrategie keine Selbstläufer wird, scheint auch Florian Weber klar zu sein: «Es wird ein langer Prozess. Die Massnahmen sind nicht von heute auf morgen umsetzbar.»
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